Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 34/1/2023
Displaying Violence



Displaying Violence
Topographien historischen Arbeitens
Dieses Buch beleuchtet die räumlichen Kontexte, innerhalb derer Geschichte (zugänglich) gemacht wird, und thematisiert die Unsichtbarkeit derjenigen, die sie erarbeiten. Gezeigt werden die Schreibtische von 74 Historiker_innen aus ganz Europa, die am Institut für Geschichte der Universität Graz tätig sind. Dazu illustrieren selbst gewählte Sätze jene Geschichten, die an diesen Orten geschrieben werden. Gefragt wird so nach einer der Bedingungen, aber auch nach den Konsequenzen wissenschaftlichen, besonders historischen Arbeitens. Ein durch das gesamte Buch laufender Essay über jene Aspekte, die die Positionierung des Subjekts zu Geschichte und Raum bestimmen oder stören, stellt einen roten Faden dar. Abgebildet werden Arbeitsräume, in denen zu allen Epochen und allen Gegenden der Erde historische Forschung und Lehre betrieben wird, genauso aber auch Büros der Administration des Grazer Geschichteinstituts. Ein genauer Blick darauf zahlt sich aus, schließlich kreuzen sich am Schreibtisch der Historiker_innen die Achsen von Raum und Zeit. Er ist der Ort, wo unser Bild der Vergangenheit für eine zukünftige Rezeption gegenwärtig gemacht wird.
In gegenwärtigen österreichischen Mediendiskussionen kursieren vielfach Bedrohungsbilder zum Thema Migration, welche eine vermeintliche »Flut« an Zuwanderinnen und Zuwanderern »aus dem Osten« konstruieren. Jene Migrant_innen, die seit dem Fall des »Eisernen Vorhangs« temporär in die Steiermark kommen, um unter anderem durch Betteln Geld zu verdienen, werden ausschließlich als »Roma« wahrgenommen und sind als solche von ausgrenzenden Rhetoriken betroffen sowie Adressat_innen von daran anknüpfenden politischen Maßnahmen und Hilfsprojekten. In der vorliegenden an der Universität Graz durchgeführten Studie werden erstmals jene Bilder, die über Romani-Männer (Roma) und Romani-Frauen (Romnija) in den steirischen Medien verbreitet werden, systematisch analysiert. Weit verbreitete Mythen und rassistische Vorurteile werden in Beziehung zu konkreten Lebensentwürfen der Bettler_innen gesetzt. Wissenschaftliches Neuland betritt die Studie außerdem insofern, als die temporäre Bettelmigration als räumliche Bewegung innerhalb sozialer, kultureller und ökonomischer Netzwerke begriffen wird. Erstmals werden damit konsequent die Folgen der Migration auch in Hinblick auf die Herkunftsregionen der Migrant_innen in den Blick genommen.