Für welche Probleme sind Diagnosen eigentlich eine Lösung?
Tom Levold und Hans Lieb im Gespräch mit Uwe Britten
Mit mehreren Hundert Diagnosen für psychische Störungen stellen sich Fragen zur Rechtfertigung der internationalen Klassifikationssysteme DSM und ICD sowie zur Sinnhaftigkeit von Diagnosen bei psychischen Beeinträchtigungen. Tom Levold und Hans Lieb suchen im Dialog nach Antworten. Zu Beginn einer Psychotherapie kann eine standardisierte Diagnostik durch das Erkennen von Symptomen und die Nennung einer Diagnose hilfreich sein, insbesondere für die Therapeuten, da dies ihnen Sicherheit gibt. Doch mit dem Fortschreiten der Therapie ist es ratsam, sich von den engen Schablonen der heutigen Diagnosen zu distanzieren, um den Klienten in seiner menschlichen Tiefe besser zu verstehen. Levold und Lieb äußern Vorbehalte gegenüber der gängigen Diagnostik, da psychische Erkrankungen nicht isoliert existieren. Die Probleme der Klienten sind komplexer, als es die Diagnosen suggerieren, sodass diese oft nur eine Fremdbeobachtung darstellen, die wenig mit dem tatsächlichen Erleben der Klienten zu tun hat. Diagnosen sind zwar immer präsent, sollten jedoch kritisch reflektiert werden. „Wir können nicht nicht diagnostizieren“, sagt Lieb, während Levold hinzufügt: „Aber wir dürfen menschlichen ›Sinn‹ nicht medizinisieren.“

