Erich Ribolits Livres




Abschied vom Bildungsbürger
Über die Antiquiertheit von Bildung im Gefolge der dritten industriellen Revolution
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Anhand bildungsbürgerlicher Leitbegriffe wie Politik, Kritik, Emanzipation und Humanität wird in diesem Buch ihr postmoderner Bedeutungswandel im 'Zeitalter des Entrepreneurs' dargestellt. Die Bildungsidee, die aus der Aufklärung und misslungenen bürgerlichen Revolutionen im deutschsprachigen Mitteleuropa hervorgegangen ist, erweist sich zunehmend als antiquiert. Sie ist nicht kompatibel mit der Heranbildung von Humankapital für den globalen Konkurrenzkampf. Als Folge demissioniert auch der Bildungsbürger, der die dichotome Spaltung des Individuums verkörpert: einerseits als Citoyen, der seinen Verstand nutzt und den Maximen des Guten, Wahren und Schönen verpflichtet ist, und andererseits als Bourgeois, der nutzenorientiert im Sinne von Markt und Staat agiert. Seit dem 18. Jahrhundert lässt sich der Bildungsbürger als Fluchtpunkt der Subjektformung identifizieren. Sein Menschenbild fand im Bildungsbürger seine prototypische Entsprechung und war über zwei Jahrhunderte eine zentrale Orientierungsgröße für Selbst- und Sozialtechnologien. Gegenwärtig etabliert sich eine neue Subjektivierungsmatrix, der 'Entrepreneur'. Lernen wird nun als Prozess verstanden, der Menschen dazu bringt, sich selbst und die Welt im Fokus der Vermarktung zu begreifen. Anstelle des idealisierten, kritischen Individuums steht das enthusiastisch selbst verwertende 'unternehmerische Selbst' im Vordergrund.
Bildung - Kampfbegriff oder Pathosformel
Über die revolutionären Wurzeln und die bürgerliche Geschichte des Bildungsbegriffs
Der Autor verdeutlicht, dass Bildung schon lange als Ware betrachtet wird. Die ökonomische Nutzung der menschlichen Fähigkeit, sich durch Lernen zu formen, spiegelt sich im Bildungsbegriff wider. In den letzten Jahren beklagen bildungsbewusste Kreise den Verlust der Orientierung an humanistisch gebildeten Individuen in Schulen und Universitäten. Bildung wird zunehmend ökonomisch argumentiert und reduziert sich auf eine Ware. Die aktuellen Reformen im Bildungssystem sind stark auf Effektivität und die Schaffung verwertbaren Humankapitals ausgerichtet. Mit minimalen Ressourcen sollen Absolventen produziert werden, die besser auf den Arbeitsmarkt zugeschnitten sind. In Reaktion auf diese ökonomische Sichtweise neigen Befürworter der Bildung dazu, vergangene Zustände zu idealisieren und von einer einst heilen Bildungswelt zu träumen. Das Buch widerspricht dieser Nostalgie. Neu ist, dass Produktivitätssteigerung, Globalisierung und eine wachsende Verwertungskrise die Konkurrenz zwischen Individuen, Regionen und Staaten verschärfen, was den ideologischen Überbau des organisierten Lernens obsolet macht. Der machtkritische Nimbus des Bildungsbegriffs schwindet, und das Bildungssystem wird als das erkannt, was es ist: eine Institution zur Herstellung des bürgerlichen Subjekts, das Vernunft und ökonomisches Kalkül gleichsetzt und die Welt nur unter dem Aspekt des Geldwerts versteht.