Das Radio erlebt in den letzten Jahren ein Comeback in den Kultur- und Geisteswissenschaften. Eine zentrale Fragestellung ist hierbei die identitäts- und kulturpolitische Nutzung von Klängen und Musik im Radio. Diesem Thema widmen sich die Beiträger_innen aus verschiedenen kulturwissenschaftlichen Disziplinen und knüpfen dabei an die aktuellen Forschungen zur sinnlichen Dimension der Alltagswelt an. Sie fragen nach Akteuren und Praktiken, Interessen und Diskursen sowie nach den institutionellen und gesellschaftlichen Kontexten im Zusammenhang mit Rundfunk und klingendem Kulturgut.
Kulturwissenschaftliche Perspektiven auf ein populäres Phänomen
Schlager ist en vogue und kann in vielen Alltagskontexten erlebt werden – beim Musikhören, in Konzerten, aber auch im Fernsehen, Radio und in Filmen, auf Festen oder via soziale Medien. Schlager finden seit einigen Jahren ein großes Publikum. Gerade der breite Erfolg macht das populäre Genre für die Kulturkritik weiterhin verdächtig, ein kommerzielles und oberflächliches Vergnügen zu sein. Der vorliegende Band möchte diese einseitige Sicht hinter sich lassen und zu einer stärkeren Beachtung des Phänomens in der populären Musikforschung beitragen. Fünfzehn Beiträge untersuchen den Schlager in seiner Vielfalt aus unterschiedlichen kulturwissenschaftlichen Perspektiven.
Technik und die kulturelle Aneignung der Klangwelt
Wie kommen Gruppen und Akteure zu 'ihrer' Kultur, und wie werden aus alltäglichen Phänomenen besondere, geschätzte Kulturgüter (Cultural Property)? Welche Bedeutung hat Technik für die Entstehung von klingendem Kulturgut? Die Studie erforscht am Beispiel der alltäglichen Klangwelt und aus der Perspektive einer anthropology of the senses die sinnlich-ephemere Dimension der Entstehung von Cultural Property und Cultural Heritage: die Beziehung zwischen Gruppen und ihren Kulturgütern und die Stabilisierung dieser Verbindung durch Performances, Medien und Archive. Der Autor verbindet die Themenfelder kulturwissenschaftliche Technikforschung, Sound Studies und Heritage Studies. Auf der Basis von Interviews, Rundfunkarchivalien und weiteren ethnografischen Daten werden in empirischen Fallstudien aus der alltäglichen Klangwelt die maritime Klanglandschaft Flensburgs, klingende Erinnerungsorte im Rundfunk und Politiken der Archivierung des audiovisuellen Erbes untersucht. Technik ermöglicht die kulturelle Aneignung von Klängen: Archiv-, Speicher- und Medientechnik bilden die Voraussetzung für die Verwandlung der flüchtigen Alltagskultur in dauerhaft verfügbare immaterielle Kulturgüter, die für Identitätspolitiken und ökonomische Wertschöpfungen valorisierbar werden. Drei Modi kultureller Aneignung im Alltag werden konturiert: Wahrnehmung, Semiotisierung und Archivierung.
Entgrenzung, Flexibilisierung und Prekarisierung der Arbeitswelt sind zentrale Beschäftigungsfelder der gegenwärtigen volkskundlich-kulturwissenschaftlichen Arbeitskulturenforschung. In diesem Kontext untersucht die vorliegende Ethnografie, wie Technik sich in den Arbeitsalltag von Arbeiterinnen in einem Versandlager eingeschrieben hat und einschreibt. Die Untersuchung fand in einer für die Arbeiterinnen tiefgreifenden Umbruchsituation statt. Auf der Grundlage von empirischen Daten wird der Zusammenhang von technischen Veränderungen, Arbeitsverrichtungen und zunehmend prekären Arbeitsbedingungen detailliert beschrieben und gedeutet: Technischer Wandel wird erst in der vergleichenden Rückschau auf die technisch-organisatorischen Gegebenheiten und ihren jeweiligen gesellschaftlichen Kontext erfahrbar.