Klaus H. Sindern Livres




23. März 1899 - Fritz Teuber, Erich Moser und David Mandel werden geboren. Ganz unterschiedlich sind die Milieus, in die sie hineingeboren werden. Teubers Vater ist ein kleinbürgerlicher kaisertreuer Amtsschreiber, im Vater Mosers schlägt glühendrot ein sozialdemokratisches Herz, und der Vater des kleinen Mandel ist ein arrivierter jüdischer Kunsthändler. Die Geschicke dieser drei Familien sind durch merkwürdige Zufälle über hundert Jahre hinweg miteinander verwoben. 23. März 1999 - auf einer Intensivstation ringt ein Mann mit dem Tod, und erst unmittelbar danach begreift die junge Ärztin Nikola, wie sehr dieser Unbekannte mit ihr, mit ihrer Mutter Jana und deren verworrener Lebensgeschichte verwoben ist. Hundert Jahre zwischen den drei Geburten und einem einsamen Tod. Hundert Jahre deutscher Geschichte: das Begräbnis von Wilhelm Liebknecht, die böse Posse des Hauptmanns von Köpenick, der Auftritt Hitlers im Hofbräuhaus, Bücherverbrennung und die Pogromnacht. Nach dem Krieg Mauerbau, Demonstrationen gegen den Schah von Persien und den Vietnamkrieg. Aufstieg und Ende der RAF. Schicksalhaft sind die drei Familien an diesen Ereignissen beteiligt, als Akteure und Opfer oder als zufällig Beteiligte. Wie Zeit verläuft, scheint unzuverlässig zu sein, und so nimmt es nicht wunder, dass gerade das berühmteste Gemälde des Surrealismus, Salvatore Dalis 'Die Beständigkeit der Erinnerung', das mit seinen Camembert-Uhren das 'Verlaufen der Zeit' wörtlich nimmt, ein zentrales Motiv des Romans ist.
Körperliche und geistige Entwicklung befähigen einen Menschen, ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Ein selbstbestimmtes Leben führen zu können ist das eigentliche Ziel von Bildung. Welchen Auftrag hat die Schule im Prozess der Entwicklung eines Menschen? Sie sollte den Heranwachsenden begleiten, ihn befähigen in jeder Entwicklungsphase die eigene Existenz reflektieren zu können und ihm dadurch ermöglichen, sich zu bilden. Schule kommt diesem Auftrag nicht nach. Die körperliche und geistige Entwicklung verlaufen disharmonisch, denn Schule verfolgt hier keinen Bildungsauftrag, sondern einen Ausbildungsauftrag. Diese Vermischung der Begriffe ist fatal. Die Reduktion von Unterrichtsinhalten auf abfragbar Lächerliches bekommt Bedeutung und verhindert, dass junge Menschen lernen, Mensch zu sein, ein Leben zu leben und selbstbestimmt zu existieren. „Bilde dich!“ ist ein Aufruf, sich auf den Weg zu machen.
Das System Schule ist wie ein Tamagotchi, es wird gefüttert und versorgt und am Leben erhalten, obwohl es seinen Sinn längst verloren hat. Wenn es denn je einen hatte. Bildung jedenfalls findet in der Schule nicht statt. Zu diesem schonungslosen Ergebnis kommt Klaus H. Sindern nach mehr als dreißig Jahren Schulerfahrung. Schule animiert Schüler, Stoff zu pauken und rasch zu vergessen, jeden Unsinn mitzumachen und angepasst die Schulzeit abzusitzen. Wer ein Buch erwartet, in dem Lehrer gehasst und Schüler diszipliniert werden sollen, wird enttäuscht. Der Autor diskutiert den Begriff ‚Bildung‘ und beschreibt das Dilemma unseres Schulsystems aus einer neuen und überraschenden Perspektive. Die Probleme sind greifbar - und unbegreiflich. Analytisch, unterhaltsam und pointiert wird der Leser mit einer Wahrheit über Schule konfrontiert, wie er sie als Schüler schon erfahren hat.