Nach der endgültigen Umstellung des analogen auf das digitale Fernsehen vor knapp drei Jahren, fielen Luca Schenardi bei der Benutzung des Teletexts – einem von ihm sehr geschätzten Medium – rätselhafte Satzkombinationen auf. Viele Teletext-Headlines diverser Fernsehsender waren nach diesem technischen Umbruch durcheinandergemischt und senderübergreifend, scheinbar zufällig neu zusammengesetzt worden. Anfang 2015 stiess er bei der Lektüre auf folgende Meldung: «In Dresden haben am Abend erneut Anhänger des ‹Pegida-Bündnisses› demonstriert. Nach Polizeiangaben waren etwa 17’000 Pegida-Aktivisten zur Semperoper gekommen. Meyer spricht von Gratiskaffee.» Das schien Schenardi definitiv dokumentierungswürdig und er begann, den Teletext diverser Kanäle täglich zu durchzuforsten und zu fotografieren. Von rauschhafter Sammelwut getrieben, transkribierte er die fehlerhaften Zeilen mit schwarzem Filzstift und Tusche in selbst gebastelte Hefte der Grösse A5 und versah sie mit skizzenhaften Illustrationen. Bis zum heutigen Zeitpunkt sind zwanzig Hefte mit ungefähr achthundert Seiten entstanden. Die naturgemäss ans Tagesgeschehen geknüpften Transkriptionen scheinen manchmal verblüffende Wahrheiten zu vermitteln, verstricken sich jedoch abermals in vollkommene Absurdität, so als versuchten sie, das von Krieg und Elend geprägte Weltgeschehen, getarnt als Newstickerphrasen, neu zu erzählen. Die Nähe zu den nicht minder absurden, jedoch ernst gemeinten, den Alltag überflutenden Zeitungsschlagzeilen – ob nun online oder analog – ist verblüffend. In Meyer spricht von Gratiskaffee lässt Schenardi die gezeichneten Worte wie als Wespen getarnte Schwebfliegen – die grossen Meister der Mimikry – in den Infotainment-Dschungel hinaus. Das Buch zeigt eine Auswahl aus diesem Werk. BIO: Luca Schenardi (*1978), Diplom an der Hochschule Luzern HGKL im Fachbereich Illustration (2002). Lebt in Altdorf und arbeitet als freischaffender Illustrator und Künstler in Luzern. 2012 erschien in der Edition Patrick Frey Schenardis Künstlerbuch An Vogelhäusern mangelt es jedoch nicht.
Luca Schenardi Livres




An Vogelhäusern mangelt es jedoch nicht vereint ornithologisches Fachwissen mit subjektiver Empfindung, geschaffen aus Dringlichkeit und Leidenschaft. Das Künstlerbuch kombiniert Zeichnungen, Computerillustrationen, Fotografien und eigene Vogelporträts. Im Mittelpunkt steht die komplexe Beziehung des Menschen zur Natur, insbesondere zu Vögeln, die kulturell prägend sind und in ihrer Vielfalt einzigartig. Das Werk basiert auf dem dokumentierten Rückgang vieler Vogelarten in der Schweiz: Über 40 Prozent der Brutvogelarten stehen auf der Roten Liste, 12 Prozent sind potenziell gefährdet. Trotz gezielter Maßnahmen bleibt die Zukunft düster. Studien zeigen, dass ortstypische Brutvogelarten nach dem Übertritt in die Schweiz im Vergleich zum Ausland stark abnehmen, was nicht ins Bild einer 'schönen Schweiz' passt. Luca Schenardi beleuchtet die unerforschten Zusammenhänge zwischen menschlichem Wirken und dem Niedergang der Natur mit seiner subjektiven Bildsprache. Er entlarvt den Zustand des Landes anhand der Vögel als Indikatoren für die menschliche Lebensweise. Ähnlich wie Vögel, die empfindlich auf Umweltveränderungen reagieren, fühlt sich Schenardi durch die Verdichtung seines Lebensraums und die Dominanz der Marktwirtschaft bedrängt. Sein künstlerischer Ausdruck ist geprägt von Gesellschaftskritik, Zynismus, Wut und Wehmut, wobei eine skurril-humoristische Komponente den Kulturpessimismus umgeht.
"Der Titel seines Werks, D.I.J.D.S.D. - Das ist ja das Schöne daran, ist eine ironisch-zynische Anspielung auf das Kürzel "DSDS" einer entbehrlichen deutschen Reality-Show. In seinen Bildern, die sowohl zeit- als auch fundamentalkritisch zu verstehen und zu lesen sind, seziert und demaskiert Schenardi die ihn umgebende und beeinflussende Lebenswelt Schicht um Schicht. Was dabei herauskommt, ist eine eigentümliche, zum Nachdenken anregende Sicht auf die "Normalität", die von Skurrilität, Absurdität und der Groteske geprägt ist." (buecher.de)