Der Band unternimmt eine kritische Revision und transdisziplinäre Weiterentwicklung aktueller narratologischer und kulturwissenschaftlicher Ansätze. Im Fokus der Beiträge stehen zum einen Fragen nach der Relevanz des Erzählens und der Narratologie sowie nach den Möglichkeiten ihrer kulturwissenschaftlichen Profilierung. Zum anderen wird das Potenzial narrativistisch ausgerichteter kulturwissenschaftlicher Forschung ausgelotet. Dabei wird den kulturellen Funktionen des Erzählens in den Wissenschaften, in Literatur, Film und Kunst sowie der Alltagskultur nachgegangen.
Der vorliegende Band präsentiert aktuelle Lesarten der Literatur Friederike Mayröckers, der diese Publikation als Festschrift gewidmet ist. In der Vielstimmigkeit der hier verfolgten Lektüren und Analysen spiegelt sich die Polyphonie des umfangreichen Werkes der Autorin wider. In einem breiten Spektrum an theoretischen und methodischen Zugängen werden spezifische Themen, Motive und Verfahren, intertextuelle Beziehungen, werkgenetische, poetologische und ästhetische Aspekte ihres Werkes in den Blick genommen. Neben textübergreifenden Studien werden auch minutiöse Lektüren von Einzeltexten vorgelegt. Den jüngeren und jüngsten Texten der Autorin wird dabei besondere Aufmerksamkeit zuteil. Der vorliegende Band enthält neben einem Beitrag zum 2008 publizierten Prosabuch Paloma auch eine erste Lektüre des 2009 erschienenen Gedichtzyklus Scardanelli sowie eines Gedichts aus Mayröckers jüngstem Lyrikband dieses Jäckchen (nämlich) des Vogel Greif.
Die Studie stellt eine Pionierarbeit dar: Sie zeigt erstmals die historischen und systematischen Beziehungen zwischen den Werken Goethes und William James' auf. Dabei wird zum einen die Goethe-Lektüre des US-amerikanischen Philosophen in ihrer Bedeutung für die Genese und Poetizität des James'schen Pragmatismus rekonstruiert. Zum anderen wird die (proto-)pragmatische Dimension von Goethes Werk herausgearbeitet und dieser als literarischer Philosoph und Wegbereiter des angloamerikanischen Pragmatismus exponiert. Mit der Konturierung der vielfältigen diskursiven Relationen zwischen literarischen, philosophischen und naturwissenschaftlichen Wissensordnungen der Goethezeit und jenen der US-amerikanischen Kultur des späten 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts gewinnt der Pragmatismus als transatlantische Denkbewegung Profil. Auf theoretisch-methodischer Ebene leistet die Studie einen wesentlichen Beitrag zum interdisziplinären Forschungsfeld „Literatur und Philosophie“, wobei neben der Rolle literarisch verfasster Philosopheme insbesondere auch das epistemische Potential literarischer Verfahren und deren spezifische Funktionen für die Konstitution philosophischer Diskurse und Praktiken demonstriert werden.
Die Texte Friederike Mayröckers thematisieren die untrennbare Verbindung des sprechenden Subjekts mit dem Körper, dessen Kontingenz und Endlichkeit. Diese Untersuchung befasst sich mit Aspekten der Körperlichkeit in Mayröckers Prosa, unter Berücksichtigung poststrukturalistischer Psychoanalyse, Diskursanalyse und Dekonstruktion. Die Auseinandersetzung mit Leiblichkeit in ihrer Prosa ist durch spezifische kulturelle und historische (Körper-)Normen geprägt, die durch die Werke von Salvador Dalí, André Breton, Max Ernst, Paul Éluard und Francis Bacon vermittelt werden und auf Mayröckers Texte referieren. Trotz ihrer Heterogenität zeigen diese Texte eine interdiskursive Beziehung zum Hysteriediskurs von Jean-Martin Charcot, der, unter Rückgriff auf Foucault, nicht als Ausdruck eines pathologischen Syndroms, sondern als kulturell kodierte Körpersemiotik verstanden wird. Diese umfasst auch ästhetische Konfigurationen aus religiöser Ikonographie und wird in den Texten Mayröckers als Verbindung von „hysterischen“ und „mystischen“ Ausdrucksformen sichtbar. Zudem wird deutlich, dass es sich bei den dargestellten Körpern, entgegen einem verbreiteten Topos in der Mayröcker-Forschung, nicht um geschlechtsneutrale Körper handelt, was anhand von Lacans Theorie der Intersubjektivität belegt werden kann.