Rainer Bolle unternimmt in dieser 3. überarbeiteten und erweiterten Auflage seiner Habilitationsschrift von 1995 den Versuch, Rousseaus pädagogische Theorie im Kontext der Differenz von traditioneller Erziehung und Eduktion zu interpretieren. Dabei wird Rousseaus radikaler Blickwechsel auf die pädagogische Aufgabe begrifflich erfasst, was seiner Pädagogik auch 2012, im Jahr seines 300. Geburtstages und 250 Jahre nach Erscheinen von Der Gesellschaftsvertrag und von Emile, eine erfrischende Brisanz verleiht. Bolle präsentiert ein differenziertes Bild von Rousseaus Gesamtwerk, in dem viele der bisher beklagten Widersprüche und Dichotomien zwischen den Schriften sowie zwischen Werk und Person rational nachvollziehbar erscheinen. Der innere Zusammenhang der pädagogischen, anthropologischen und politologischen Dimension des Gesamtwerkes wird deutlich: Rousseaus Theorie allgemeiner Menschenbildung erweist sich als politisch engagierte, sozialkritische Gesellschaftstheorie. Sein Verständnis von naturgemäßer Eduktion verliert sich nicht in einem gesellschaftlich blinden oder utopischen Naturalismus, sondern zielt innerhalb der gegebenen gesellschaftlichen Verhältnisse auf Freiheit und Glück der Heranwachsenden. Es wird angestrebt, die Integration in die Gesellschaft als Individuierung und als Vorgang moralisch autonomer Subjektwerdung zu ermöglichen, während Zwänge gesellschaftlicher und erzieherischer Fremdbestimmung überwunden werden
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- 2012