Ferdinand würde gerne schlafen, aber er kann nicht. Eva könnte schlafen, aber sie hat Angst. Und Melissa ist auf der Suche nach der perfekten Beerdigung. Dass sich die Wege dieser drei Menschen kreuzen, ist so absonderlich, erstaunlich, urkomisch und tief traurig wie das Leben selbst. Auf den ersten Blick ist Ferdinand Schmelzer ein ganz normaler gepflegter und sportlicher Mittvierziger und er ist sehr, sehr müde. Denn Ferdinand plagt ein Leiden, auf das bisher noch kein Arzt eine Antwort weiß: Seit frühester Jugend kann er nicht schlafen. Lediglich kurze Ruhephasen von ihm selbst silentium getauft sind ihm vergönnt. Und seit er herausgefunden hat, dass diese am ehesten gelingen, wenn er sich auf Reisen die Geschichten anderer Menschen anhört, verbringt er viel Zeit in Zügen. So lernt er auch die 16jährige Melissa kennen, die wie er aus Freiburg kommt und ebenfalls viel unterwegs ist. Und zwar aus einem abenteuerlichen Grund: Sie sammelt Beerdigungen. Zwischen den beiden ungleichen Außenseitern entwickelt sich behutsam eine Freundschaft, in deren Verlauf Melissa ihm von ihrer todkranken Mutter Eva erzählt.
Annika Fechner Livres


Die autobiographische Erzählung führt durch ein Labyrinth aus Hungern, Erbrechen und Sportexzessen, Kalorienzählen und Wiegezwang, gestörter Körperwahrnehmung und lebensgefährlichem Gewichtsverlust. Eindringlich schildert Annika Fechner die inneren Konflikte, das Gedankenchaos, die Leiden und die desaströsen Zwänge, denen man bei einer Eßstörung ausgesetzt ist. Selbst den schambesetzten Bereichen der Störung weicht sie nicht aus. In jeder Zeile spürt man den Wunsch, zu erklären, was ein Leben mit der Eßstörung bedeutet. Man begreift als Leser, daß die Welt der Eßstörung ein eigenes Universum mit eigenen Regeln, Werten und Prioritäten ist, die mit denen der „normalen“ Welt kaum Gemeinsamkeiten haben. Deshalb ist diese Welt Freunden und Angehörigen der Betroffenen oft schlechterdings unverständlich. Die Innenansicht dieser bestürzenden Welt wird in diesem Buch anschaulich. In ausdrucksstarken Bildern übersetzt es die Gefühle der Kranken in die Sprache der Gesunden. Dieses Buch macht es möglich, die fremde Welt der Eßstörung zu verstehen.