Nils Heinrich Livres






Wer immer schon wissen wollte, wie Facharbeiterinnen für Milchproduktion aus der LPG Neuruppin zu Revuetänzerinnen umgeschult werden, warum im Zuge der fortschreitenden Globalisierung Starköche künftig Popstars auf den großen Bühnen dieser Welt ablösen werden, oder warum der Leopard im Zoo gerne einmal einen bauchfrei gekleideten Tierpfleger - mit Petersilie bestreut - verspeisen möchte, ist beim Erzählband von Nils Heinrich genau richtig. Während die Titelgeschichte sich in der Welt von Vati und Mutti Vitamin und ihrem orangensaftorangenen Einfamilienhaus draußen vor der Stadt abspielt, handeln eine andere Geschichte von den abstrusen Erfahrungen des Ich-Erzählers mit einer Einladung zu einem „echt“ russischen Abend, mit der Suche nach seiner Lohnsteuerkarte und anderen Alltäglichkeiten. Ebenso kreativ amüsant verarbeitet der Autor Kindheitserlebnisse wie das heimliche Zuhören bei „Aktenzeichen XY“ und seine darauf folgenden Alpträume, Erinnerungen an den Zivildienst, und seine Zeit als Untermieter von Frau Blumenkohl in München. Seine zielsichere und pointierte Art, Geschichten aus der realen und nicht ganz so realen Welten zu erzählen, hat Heinrich über Jahre auf Lese- und anderen Bühnen mit großem Erfolg erprobt. Ebenso voll trockenen Humors, wie er sie vorträgt, hat er sie nun aufgeschrieben.
Wir hatten nix, nur Umlaute
- 255pages
- 9 heures de lecture
1990. Alles geht mal vorbei. Man soll aufhören, wenn es am ätzendsten ist. Staatliche Wehrerziehung und evangelischer Posauenchor, real existierender Sozialismus contra Westfernsehen, Harz-Urlaube mit der buckligen Familie und Überfluss an Eierschecke: Wenn man wie Nils Heinrich als pubertierender Jugendlicher in der abgehängten Ost-Provinz aufgewachsen ist, lernt man, mental flexibel zu werden. Mit äußerst spitzer Zunge erzählt er, wie es war, damals, in dem Land, das früher «Drüben» hieß - und was nach der Wende aus ihm und seiner Heimat wurde. «Wenn Comedians oder Komiker Bücher schreiben, ist gemeinhin Vorsicht geboten, weil es sich oft nur um eine Zweitverwertung bereits abgespielten, verschorften Bühnenmaterials handelt. Umso größer ist die Freude, wenn dann einer von ihnen, Nils Heinrich, ein Buch verfertigt, das neu und lesenswert ist. Letzteres unter anderem deshalb, weil der Autor die seltene Kunst beherrscht, auf komische Art und Weise von nicht immer komischen Dingen zu erzählen.» (Jochen Malmsheimer)
Nils Heinrich erzählt in seinen Geschichten von seinen Erfahrungen beim Umzug von Berlin nach Stuttgart, inklusive einem Hochzeitsantrag im Dunkelrestaurant und hyperaktiven Kindern am Titisee. Der erfolgreiche Kabarettist, Jahrgang 1971, lebt wieder in Berlin und hat ein neues Bühnenprogramm gestartet, empfohlen von Horst Evers.
Nils Heinrich war sehr verwundert, als er damals nach Wende und Grenzöffnung in Kassel landete. Das sollte der Westen sein? Mittlerweile hat er sich umsehen können und weiß, dass der wie ein typisches DDR-Essen aussehende Döner keine nordhessische Spezialität ist. Überhaupt hat der Kabarettist uns einiges zu erzählen über die alte ostdeutsche Republik und die schöne neue Republik nach der Wiedervereinigung. Beim Thema Ökologie sind wir beispielsweise wieder ganz vorn mit dabei: Der Meeresspiegel steigt – also bauen wir die Autos höher. Des Weiteren berichtet Nils Heinrich vom kalten Intimitätsentzug der Corona-Ferien. Er hat nicht nur Tagebuch geführt, sondern auch seine geheime Fähigkeit entdeckt: Ei-Hypnose! Auch kennt er jetzt alle Seriennummern der heimischen CD-Sammlung auswendig und kann mit seiner Frau Dialoge aus „Frauentausch“ nachspielen. Die Corona-Krise, so erfährt der geneigte Leser, bietet Familien Gelegenheit zu heiteren Spaßbad-Besuchen, Klopapierbasteln oder dazu, der Schwiegermutter das Skypen beizubringen – eine Krise kann so lustig sein!
Sei froh, dass du nicht Joghurt heißt
Vom komischen Kauz zum Rabenvater
Ein heimlicher Rabenvater packt aus. Eine Frau, ein Mann. Und plötzlich ein Kind. Na und? Haben andere auch schon hingekriegt. Aber die haben sich nie getraut zuzugeben, wie doof das eigentlich sein kann. Der Kabarettist Nils Heinrich nennt das Kind beim Namen. Böse Geschichten und amüsante Stoßseufzer eines leidgeprüften Vaters. Ja, es gibt diese Momente, sagt Nils Heinrich, in denen man sich insgeheim wünscht, ein Rabenvater zu sein: diese langen Momente zwischen den wenigen schönen, in denen man versucht, den Elterngeldantrag zu verstehen. Oder in denen man verschreckt Nachrichten guckt und sich fragt, wer in eine solche Welt Kinder setzt. Und einem einfällt: »Ach, ich!« Und in denen einem schlagartig bewusst wird, dass das bisherige Leben definitiv vorbei ist. Und erst in circa fünfunddreißig Jahren weitergeht – wenn das Kind endgültig aus dem Haus ist.
Eine Anthologie der Brauseboys aus überraschenden Geschichten über das Leben in der Großstadt und die Kindheit in der Provinz, bei der man sich am Ende fragt, wo genau die Metropole anfängt und die Provinz aufhört. Die Texte schwanken zwischen melancholischer Besinnung auf die eigenen Wurzeln, hemmungsloser Polemik gegen die Zumutungen der Umwelt und den Mühen, die passende ökologische Nische für sich zu finden, irgendwo zwischen dem Binger Mäuseturm und dem Brandenburger Tor.