Rainer Marbach Livres

Schwule und Lesben in der DDR waren von Beginn an mit einer liberaleren Gesetzgebung konfrontiert als ihre Brüder und Schwestern in der BRD. Bedrohlich war ihre Lage dennoch, eine öffentliche Debatte über ihre Situation oder eigene Organisationen blieben lange unerwünscht. Und doch regten sich schon früh und vereinzelt Fürsprecher der sexuellen Minderheiten, entwickelten sich trotz eines enormen Anpassungsdrucks innerhalb einer uniformen Gesellschaft schon vor dem Aufbruch in den 1980er Jahren eigene Handlungsspielräume. Im Zentrum dieses Bands stehen die Erfahrungen und Rückwirkungen schwuler Selbstbehauptung in den 1970er und 1980er Jahren: Abgerundet wird er durch Rückblenden in die 1950er und 1960er Jahre sowie durch Betrachtungen über dieses abgeschlossene Kapitel der Geschichte aus heutiger Perspektive.

Ob Lehrer, Mediziner, Juristen, Theologen, Literaten oder Führungskräfte – sie alle bringen ihren eigenen 'Stallgeruch' in die Bildungsstätte ein. Doch eines vereint sie: das Phänomen Waldschlösschen. Diese einzigartige Einrichtung öffnete 1981 ihre Türen und wurde schnell zum Treffpunkt der jungen, kämpferischen Schwulenbewegung, fungierte als autonome Einrichtung einer widerständigen Gegenöffentlichkeit. Heute ist sie eine Akademie mit komfortabler Unterbringung, getragen von einer Stiftung, und hat ihren Platz in der staatlich geförderten Erwachsenenbildung gefunden. Emanzipation und Partizipation sind zentrale Begriffe, die die Pioniere des Waldschlösschens geprägt haben. „Waldschlösschen mitten drin“ steht für Bildungsarbeit, Seminare und Veranstaltungen zu Themen wie schwule Identität, Arbeitsplatzsituationen und zwischenmenschliche Beziehungen. Auch Diskussionen über Aids, die Herausforderungen für Angehörige sowie die Probleme in Schulen und der Sozialarbeit werden behandelt. Dieses reich bebilderte Lesebuch dokumentiert die Entwicklung einer politischen Bewegung und der schwullesbischen Community in der Gesellschaft. Es zeigt, wie die Akademie zur Akzeptanz verschiedener Lebensstile und zur Neugier auf das Fremde als Bereicherung beigetragen hat und dies weiterhin tut.