Medien und Medizin – diese Verbindung wird in der gegenwärtigen Informationsgesellschaft durchaus kontrovers debattiert. Die bis vor wenigen Jahrzehnten unangefochtene Autorität des medizinischen Personals als Informationslieferanten zu gesundheitlichen Fragen erodiert unter dem Druck des Medienwandels in dramatischem Tempo. Dem komplexen Dreiecksverhältnis von Arzt, Patient und Öffentlichkeit mit den vielfältigen Interaktionen und Abhängigkeiten widmet sich der Band. In der Schweiz geben nur noch knapp die Hälfte der befragten Personen an, ihre Informationen zu medizinischen Fragen zur Hauptsache von Ärztinnen und Ärzten zu beziehen – zu 60 Prozent dienen Fernsehen, Zeitschriften und Zeitungen als Informationsquellen. Das Internet wird in wachsendem Masse als Berater konsultiert. Die Leistungs- und Konsumentenrollen werden medial umgebaut. Der Patient definiert sich neu genauso sehr als Konsument ärztlicher Leistungen und Informationen wie auch als Konsument journalistisch aufbereiteter Gesundheitsinformation. Aus der Sicht der Experten bleibt die Beurteilung dieses Umbaus ambivalent: Politisch korrekt wird den Massenmedien als Verdienst angerechnet, über Krankheit und Gesundheitsstörung sachgerecht zu informieren. Das 'Fachwissen' des Patienten steigt, er wird informationstechnisch anspruchsvoll, seine Isolation in der unmittelbaren Interaktion zwischen Arzt und Patient wird aufgebrochen, Krankheiten werden enttabuisiert – dies aber vorwiegend in der Form der öffentlichen Sensation. Hier setzen denn auch die kritischen Voten ein: vom Einwand der Vermittlung eines zweifelhaften, sensationsorientierten Bildes von Gesundheit über den Anwurf der überrissenen Medikalisierung vieler Probleme zukünftiger Konsumenten einer zunehmend kostenintensiven Medizin bis hin zum gravierenden Vorwurf undurchsichtiger Finanzierung der Medien durch die Medizinalindustrie.
Peter Stulz Livres




'Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken.' Dieser Bibelspruch drückt nicht nur eine medizinische Binsenweisheit aus. Er hält zugleich eine tiefe theologische Einsicht fest. Heilung und Heil hängen offensichtlich zusammen. Theologie und Medizin haben miteinander zu tun, können deshalb auch voneinander lernen. 'Schmerz und Leiden' sind immer Wegbegleiter der Menschen gewesen. Sie bestimmten die Medizin von ihren Anfängen an, und sie waren seit jeher Thema aller Religionen. Schmerz und Leiden sind Alltagserfahrung, Herausforderung und Grenzsituationen für die kranken Menschen und für alle, die mit Kranken zu tun haben. Diese fundamentalen Gegebenheiten werden aus der Sicht von Theologie, Philosophie, Psychiatrie, Medizingeschichte, Medizin sowie aus unmittelbarer Betroffenheit beleuchtet. Die Doppelsinnigkeit von 'Heil' und 'Heilung' und ihre unterschiedliche Interpretation bietet sich für eine interdisziplinäre Betrachtungsweise an. Auch im Zeitalter einer naturwissenschaftlich orientierten 'Evidence based Medicine' lässt sich an der heilbringenden Kraft von Glaube und Spiritualität nicht zweifeln. Wissenschaftliche Ergebnisse über ihre Wirksamkeit liegen vor, ohne jedoch deren Wirkungsweise erklären zu können.
Philosophie und Medizin
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Im Zentrum der Philosophie steht das Nachdenken über den Menschen und die Welt, was auch für die Medizin gilt. Hippokrates beschreibt den Arzt als einen Philosophen, der nach Lebensweisheit strebt und damit gottgleich wird. Galen betont, dass ein hervorragender Arzt auch Philosoph sein muss, da die Medizin in enger Verbindung mit der Philosophie sachgemäß betrieben werden kann. In den letzten 200 Jahren hat sich jedoch ein bedeutender Wandel vollzogen: Die Medizin hat sich von ihrem philosophisch-spekulativen Ursprung gelöst und sich den Naturwissenschaften zugewandt. Dies führte dazu, dass die Philosophie die leibliche Dimension des Menschseins ausklammerte und sich zu einer rein geisteswissenschaftlichen Disziplin entwickelte. Beide Disziplinen leiden unter den Defiziten einseitiger Spezialisierung. Die Philosophie kann dem Menschen nicht mehr das bieten, was die naturwissenschaftliche Medizin ihm schuldig bleibt. Aktuell vollziehen beide Bereiche jedoch eine Entwicklung. Die Medizin, mit ihren Möglichkeiten zur Lebensverlängerung, Genmanipulation und Schaffung von Chimären, wirft Fragen auf, die sie selbst nicht beantworten kann. Dies erfordert ein sensibilisiertes philosophisches Bewusstsein und macht die gegenseitige Abhängigkeit von Philosophie und Medizin deutlich.
Gesundheit, Krankheit, Leiden, Heilung und Tod sind zentrale Aspekte der Conditio humana, die sowohl Ärzte als auch Schriftsteller und Dichter betreffen. Literarische Darstellungen reflektieren die menschliche Realität und bieten symbolische Deutungen. Die Wechselwirkungen zwischen Literatur und Medizin sind vielfältig; Dichtung kann die Heilkunde beeinflussen und den Leser anregen, eigene Perspektiven auf das menschliche Leben zu entwickeln. Konzepte für Behandlung und eine heilsame Arzt-Patienten-Beziehung sind ebenfalls präsent. Durch das Lesen lernen Ärzte, zuzuhören, was für ein fruchtbares Verhältnis entscheidend ist. Geeignete Literatur kann die menschliche und kommunikative Kompetenz von Medizinern fördern. Lesen und Geschichtenerzählen haben heilende Wirkungen. Drei Themenkomplexe werden behandelt: Der erste Teil widmet sich Goethe und Thomas Mann, deren intensive Beziehung zur Medizin und tiefgründige Überlegungen zu Gesundheit und Tod eine vertrauensvolle, wenn auch ambivalente Verbindung zu Ärzten zeigen. Das zweite Hauptthema ist die Poesie- und Bibliotherapie, wobei der krebskranke Dichter W. M. Diggelmann das Geschichtenerzählen als 'Waffe gegen die Krankheit' bezeichnet. Der dritte Teil behandelt 'Dichterärzte', wobei Gottfried Benn als markanter Vertreter der Dichterärzte der Weltliteratur hervorgehoben wird, während Schweizer Schriftstellerärzte eigene Werke lesen.