Schlüsseltexte über Macht und Staat, Individuum und Ordnung auf dem Prüfstand. Über 30 klassische Texte zu Bedeutung und Formen der Gewalt im 19. und 20. Jahrhundert werden in diesem Band neu interpretiert: Die Autorinnen und Autoren zeigen, wie die historischen Betrachtungen als Deutungsangebote für eine Geschichte der Moderne genutzt werden können. Der Band rückt das moderne Individuum zwischen seiner Bedrohung durch Gewalt und seinen Chancen durch Freiheit ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Aus dem Inhalt: Nicholas Stargardt: Carl von Clausewitz, Vom Kriege Frank Bösch: Joseph Conrad, Heart of Darkness Volker Berghahn: Ernst Jünger, Der Kampf als inneres Erlebnis Ulrich Herbert: Carl Schmitt, Völkerrechtliche Großraumordnung Adelheid von Saldern: Franz Neumann, Behemoth Norbert Frei: Karl Jaspers, Die Schuldfrage Petra Terhoeven: Rudi Dutschke, Organisationsreferat Axel Schildt: Johannes Agnoli/Peter Brückner, Die Transformation der Demokratie Dirk Schumann: Johan Galtung, Strukturelle Gewalt Lutz Niethammer: René Girard, Das Heilige und die Gewalt Thomas Mergel: Antonio Gramsci, Gefängnishefte Sven Reichardt: Zygmunt Bauman, Moderne und Ambivalenz
Uffa Jensen Livres






Ein antisemitischer Doppelmord
Die vergessene Geschichte des Rechtsterrorismus in der Bundesrepublik
»Letztlich war auch die NSU-Mordserie 20 Jahre später nur möglich, weil man sich schon 1980 geweigert hatte, aus dem rechten Terror Schlussfolgerungen zu ziehen.«Am 19. Dezember 1980 wurden Shlomo Lewin, der ehemalige Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Nürnberg, und seine Lebensgefährtin Frida Poeschke in ihrem Haus in Erlangen erschossen. Statt den Spuren nachzugehen, die zur rechtsextremistischen »Wehrsportgruppe Hoffmann« führten, konzentrierten sich die Ermittler lange auf das Umfeld Lewins. Die genauen Umstände der Bluttat blieben ungeklärt. Kaum ein zeitgeschichtlich bedeutendes Ereignis wurde so aggressiv vergessen wie dieser antisemitische Doppelmord.Uffa Jensen rekonstruiert die Tat und ihre Hintergründe. Er folgt den Verbindungen zur PLO, in deren Lager die Wehrsportgruppe ausgebildet wurde, beleuchtet die Rolle von deren Gründer, Karl-Heinz Hoffmann, und stellt das Attentat in Bezug zu den weiteren Anschlägen des Jahres 1980, in dem in der Bundesrepublik mehr Menschen durch (rechten) Terror ums Leben kamen als in jedem anderen Jahr. Dabei macht Jensen die Muster im Umgang mit Rechtsterrorismus sichtbar, die sich künftig mehrfach wiederholen sollten – eine bis heute anhaltende Geschichte aus Gewalt, Verharmlosung und Verdrängung.
Wie die Couch nach Kalkutta kam
Eine Globalgeschichte der frühen Psychoanalyse
Ende des 19. Jahrhunderts erfand Sigmund Freud in Wien die Psychoanalyse. Innerhalb weniger Jahrzehnte entwickelte sie sich zu einem globalen Phänomen. Begriffe wie »Über-Ich«, »Narzissmus« oder »Ödipuskomplex« sind längst in die Alltagssprache eingegangen. Um diese dynamische Entwicklung nachzuvollziehen, befasst sich Uffa Jensen mit drei Metropolen, die neben Wien für die psychoanalytische Bewegung von großer Bedeutung waren: Berlin, London und Kalkutta. Jensen zeigt, wie Lehre und Behandlungstechnik dort vor dem Hintergrund existierender Therapieformen und lokaler Traditionen angepasst wurden und auf welchen Wegen solche Neuerungen dann wiederum Freud beeinflussten. Mittels erzählerischer »Schlüssellochtexte« schaut er direkt in die Behandlungszimmer, beleuchtet aber auch die politischen und gesellschaftlichen Aspekte der globalen Psychoanalyse. Von Anfang an als »Selbsttechnologie« konzipiert, hat sie den Weg bereitet für die heutige Ratgeber- und Coachingkultur. Zentral war dabei, auch das demonstriert diese Globalgeschichte, der therapeutische Umgang mit Emotionen: Schon Freud verstand seine Therapie als »Heilung aus Liebe«.
Gäbe es ein Messgerät für die Intensität kollektiver Gefühle, es würde derzeit Spitzenwerte anzeigen: In den politischen Debatten sind vielerorts Wut, Hass und Angst an die Stelle rationaler Argumente und gegenseitiger Rücksichtnahme getreten. Uffa Jensen verfolgt die Ursprünge der Zornpolitik bis ins 19. Jahrhundert zurück und erläutert, wie solche Gefühle der Ablehnung funktionieren. Dabei wird deutlich, dass Emotionen gerade in Auseinandersetzungen über gesellschaftliche Andere wie Flüchtlinge, Muslime oder Juden hochkochen und bewusst instrumentalisiert werden. Aus den historischen Zusammenhängen zwischen Vorurteilen und Gefühlen leitet Jensen Strategien ab, mit denen wir der aktuellen Welle des politischen Furors begegnen können.
Politik und Recht
- 214pages
- 8 heures de lecture
Seit im 19. Jahrhundert durch die Emanzipationsgesetzgebung die rechtlichen Rahmenbedingungen dazu geschaffen worden waren, wurden die Juden immer stärker zu einem aktiven Teil des politischen Systems in Deutschland. Das Buch zeigt, wie die Veränderungen eine solche Teilnahme ermöglichten, wie Juden und Jüdinnen diese nutzten und wie sie sich politisch organisierten. Zugleich wird deutlich, dass sich der entstehende moderne Antisemitismus gerade gegen das politische Engagement von Juden richtete – bis hin zum Nationalsozialismus, der vor der physischen Vernichtung der Juden ihre politischen Handlungsmöglichkeiten radikal beschnitt. In der deutschen Nachkriegsgesellschaft spielten die überlebenden Juden erneut eine politische Rolle, und unsere multiethnische und -religiöse Gegenwartskultur wirft auf neue Weise die Frage nach den Chancen und Grenzen jüdischer Politik auf.
Rationalisierungen des Gefühls
- 280pages
- 10 heures de lecture
Die menschlichen Gefühle sind nicht erst in den letzten Jahren, sondern schon einmal um 1900 verstärkt in das Interesse der Geistes- und Sozialwissenschaften gerückt. Der Band untersucht das Wechselverhältnis von Wissenschaft und Emotionalität in dieser Zeit und zielt dabei neben der Wissenschaftsgeschichte der Gefühle zugleich auf eine Gefühlsgeschichte der Wissenschaften. Die lange Jahrhundertwende von 1880 bis 1930 gilt nicht nur als Formierungsphase der 'klassischen Moderne'. Sie war auch eine Umbruchsphase der modernen Wissenschaften, die vor allen Dingen durch die Trennung von Geistes- und Naturwissenschaften und die Etablierung der Sozialwissenschaften gekennzeichnet war. In diesem Ausdifferenzierungsgeschehen spielte auch die wissenschaftliche Thematisierung der Gefühle eine zentrale Rolle.
Im Mittelpunkt dieses Buches steht das komplexe Beziehungsgeflecht zwischen Juden und Protestanten in der bürgerlichen Bildungskultur des 19. Jahrhunderts, wie es sich insbesondere von den 1840er Jahren bis zu den Auseinandersetzungen um die antisemitischen Thesen des Historikers Heinrich von Treitschke 1879–81 herausbildete. Während bei gebildeten Protestanten antisemitische Muster immer einflussreicher wurden, versuchten gebildete Juden, ihre Position in der bürgerlichen Bildungskultur zu verteidigen. Sie bemühten sich dabei nicht nur zum ersten Mal um eine offensive Abwehr des zeitgenössischen Antisemitismus, sondern schufen zugleich eine der einflussreichsten jüdischen Identitätskonstruktionen der Moderne: die Vorstellung eines jüdischen Universalismus.