Aber man stelle sich jetzt vor, bevor es zu spät ist, bevor die Modernisierung überall gleichermaßen zugeschlagen hat, was aus der weltweiten Diskussion mit den Modernen werden könnte, die endlich wüßten, woran ihnen liegt, und die endlich mit den anderen die Geheimnisse ihrer Institutionen teilten!' Bruno Latour Ein Anthropologe im Conseil d?État? So etwas sieht man nicht alle Tage. Dieses Buch nimmt Bruno Latours Ethnographie des französischen Staatsrats genauer unter die Lupe. Kann zu einer Erkenntnis des Rechts gelangen, wer die Arbeit eines Gerichts untersucht?Mehrere Monate lang hat Bruno Latour Feldforschung in den Räumen des französischen Staatsrats betrieben und seine Beobachtungen schließlich in Die Rechtsfabrik festgehalten. Dabei richtet der Autor seine Aufmerksamkeit besonders auf die Medienpraktiken bei Gericht, vor allem auf den Umgang mit Akten, Dokumenten und Dossiers. Der Prozess der rechtlichen Entscheidungsfindung wird so von seiner bürokratischen Infrastruktur her betrachtet. Diese einzigartige Herangehensweise gibt Anlass zu einer Auseinandersetzung mit ihren Ergebnissen. Aus soziologischer, juristischer wie sozialanthropologischer, literatur- wie medienwissenschaftlicher Sicht wird Latours Ethnographie der Rechtsarbeit im Zusammenhang seines großen Projekts eines Vergleichs von 'Existenzweisen' in diesem Band kontrovers diskutiert: Was ist von einem entschieden nicht-kritischen Ansatz zu halten, der seinen Gegenstand kontextfrei beschreibt und dabei aus methodischen Gründen an der Oberfläche des Rechts verbleibt? Wie sind Empirie und Philosophie hier miteinander verknüpft? Lässt sich eine Herangehensweise recht fertigen, die den Stand der Rechtswissenschaft ignoriert? Über diese Fragen hinaus wird Latours Verfahren eines kontrastiven Vergleichens problematisiert, das auf die Klarstellung von Besonderheiten unterschiedlicher Aussageordnungen und Weisen der Existenz abhebt. Das Buch ist mehr als nur ein Materialienband zur Studie Latours: Es ergänzt diese um eine ganze Reihe von Perspektiven, um so erneut der Frage nachzugehen, wie man das Recht analysieren kann. Mit Beiträgen von Friedrich Balke, Sebastian Gießmann, Thomas G. Kirsch, Karl-Heinz Ladeur, Bruno Latour, Stefan Nellen, Clemens Pornschlegel, Doris Schweitzer und Marcus Twellmann
Marcus Twellmann Livres





Die Literaturen der Welt erzählen vom Dorf: Bausteine einer Gattungsgeschichte. Mitte des 18. Jahrhunderts wird das Dorf zum Thema der Literatur; zuerst in Versen, dann in ungebundener Form. Man spricht von village sketches und contes villageois, später von derevenskaja proza und köy edebiyatı. Zu besonderer Popularität gelangt die »Dorfgeschichte« in den deutschsprachigen Ländern. Marcus Twellmann nutzt dieses Gattungskonzept für vergleichende Lektüren, die das Erzählen in seiner lokalen Kontextgebundenheit und zugleich die Bewegung der Form untersuchen - ihr Anderswerden im Zuge globaler Übersetzung wie auch ihre Verfestigung. Wie keine andere gibt diese zumeist Realismus beanspruchende Gattung Aufschluss über die tiefgreifende Veränderung von Lebenswelten. Die Studie macht klar: Weltliteraturgeschichte ist möglich und das Dorf ist der Ort, wo sie als Erfahrung beginnt.
Nichtwissen als Ressource
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Das Nichtwissen findet seit einiger Zeit vermehrt Beachtung als ein eigenständiger Gegenstand wissenschaftlicher Theoriebildung und empirischer Untersuchung. Wissen ist bekanntlich ein zumeist begehrtes, oftmals künstlich verknapptes und fast immer und überall umkämpftes Gut, dessen gesellschaftliche Verteilung einer Dynamik der Aushandlung unterliegt. Verstärkte Beachtung verdienen indes die vielfältigen Weisen des strategischen Gebrauchs, den epistemische Akteure auch vom Nichtwissen machen – vom eigenen Nichtwissen wie vom Nichtwissen der andern. Was zunächst als bloße Kehrseite des Wissens erscheint, erweist sich als eine Handlungsressource. Das zeigen die Aufsätze in diesem Band aus Sicht der Wirtschaftswissenschaft, der Soziologie, der Politik- und Verwaltungswissenschaft, der Anthropologie sowie der Rechtswissenschaft. Mit Beiträgen von: Roy Dilley, Thomas G. Kirsch, Karl-Heinz Ladeur, Birger P. Priddat, Wolfgang Seibel und Peter Wehling.
Das Drama der Souveränität
Hugo von Hofmannsthal und Carl Schmitt
'Der Befehl des Souveräns ist Gesetz': In Übereinstimmung mit der frühneuzeitlichen Staatslehre konzipiert Carl Schmitt die Setzung des Rechts als einen imperativen Akt. Hugo von Hofmannsthals Drama 'Der Turm' führt diesen vor und stellt eine Frage, die rechtswissenschaftlich nicht zu beantworten ist: 'Woher – soviel Gewalt?' Auf den Spuren von Georg Simmel und Sigmund Freud sucht Hofmannsthal nach den Quellen einer Befehlsgewalt, die in seinem Trauerspiel der Souverän nicht mehr hat, die als 'geistiger Imperator' aber der Dichter ausüben soll. Diese Idee bestimmt seine Kulturpolitik nach dem Ende des Staates, deren eigenste Problematik in seinem Drama der Souveränität verdichtet zur Darstellung kommt. Der Gedanke einer 'heilsamen Diktatur' der Dichter scheint heute so unwiederholbar wie die juristische Konzeption eines souveränen Gesetzesbefehls. Daß beide Vorstellungen immer wieder erinnert werden, bezeugt ihre bleibende Gegenwärtigkeit. Wie ist nach der Erfahrung des Totalitarismus das Erbe dieser anderen Moderne anzunehmen?