Der Zusammenhang von Religion und Gewalt war schon immer auch ein wichtiges Thema der Kunst, vorab der Literatur, der bildenden Kunst und des Films. Der vorliegende Band widmet sich verschiedenen Facetten von religiös kontextuierter Gewalt in Filmbearbeitungen biblischer Stoffe und Motive, wobei besonders weniger bekannte Filme Beachtung finden. In den Filmen zu neutestamentlichen Themen – allen voran Mark Dornford-Mays eindringliche Transposition der Jesusgeschichte ins heutige Afrika „Son of Man“ – stehen sowohl Darstellungen der Gewalt gegen Jesus als auch filmische Inszenierungen der Gewalt gegen seine Gegner in Form von antijüdischen Klischees zur Diskussion. Die Filmanalysen werden flankiert von grundsätzlichen Überlegungen zur filmischen Interpretation von Leid und zu den Strukturen und Inszenierungen von Gewalt in der Bibel. Mit Beiträgen von Martin Ebner, Lucien van Liere, Adele Reinhartz, Susanne Scholz, Marie-Theres Wacker, Richard Walsh, Thimo Zirpel und Reinhold Zwick.
Dass die Bibel ein unerschöpflicher Steinbruch für Filmstoffe ist, hat sich seit Erfindung des Kinos hundertfach erwiesen. Verfilmte Passionsspiele waren die ersten Schritte in der Entwicklung des narrativen Kinos und verschafften dem neuen Medium die Dignität einer respektablen Kunstform. Die Klassiker des Bibelfilms sind an den kirchlichen Festtagen auf den Bildschirmen seit Jahrzehnten präsent und auch das aktuelle Kino präsentiert aktuell wieder aufwändige neue Versionen von biblischen Geschichten. Im populären Kino stand oft die Absicht, das Unterhaltungspotential der Bibel auszubeuten, im Vordergrund: Wunder, Katastrophen, Gewalt und auch gelegentlich eine Prise Erotik. Aber es gibt auch Bibelfilme mit künstlerischem Anspruch, die ernsthaft Theologie mit filmischen Mitteln betreiben, die biblische Botschaft in Bilder umsetzen, die Impulse zu einer vertieften Auseinandersetzung mit alt- und neutestamentlichen Geschichten und ihrer Bedeutung für die heutige Zeit geben. Der Bibelfilm ist auch der Ort, an dem der Dialog zwischen Film und Theologie seinen besonderen Platz hat. Christliche Botschaften und Werte mag man in allen Genres entdecken können, in filmischen Bearbeitungen der Bibel muss man diese jedoch nicht auf hermeneutischen Umwegen erschließen, sondern findet sie direkt präsentiert. Die im vorliegenden Band versammelten Beiträge, die aus dem Symposium 2014 der „Internationalen Forschungsgruppe Film und Theologie“ an der Katholischen Akademie Schwerte hervorgegangen sind, wollen diese Herausforderung für die Theologie aufgreifen und vermitteln, wie aktuell und vielfältig die Deutungen der Bibel im zeitgenössischen Film sind. An ausgewählten Filmbeispielen, die zum großen Teil in Deutschland noch unbekannt sind, wird untersucht, welche Annäherungen an die Bibel heute von Filmautoren erprobt werden. Dabei geht es um Annäherungen auf unterschiedlichen Pfaden, im Genre des Dokumentarfilms, der Videokunst oder des Spielfilms und auf unterschiedlichen Ebenen: über die Recherche der historischen Fakten (THE MAKING OF JESUS CHRIST), eine Reflexion über Jesusbilder (CASTING JESUS) bis zu Spielfilmen, die aus dem Spannungsverhältnis von Zugriffen auf den biblischem Ursprungstext und Übertragungen in andere kulturelle und historische Kontexte einen Zugang für den modernen Zuschauer eröffnen.
Am 4. September 2014 jährt sich zum fünfzigsten Mal die Uraufführung von Pier Paolo Pasolinis Il Vangelo secondo Matteo (Das Erste Evangelium – Matthäus) bei den 25. Filmfestspielen von Venedig. Wie sich aus dem gewachsenen zeitlichen Abstand und in der Übersicht über sein Gesamtwerk heute noch deutlicher als zu seinen Lebzeiten erkennen lässt, war seine Evangelienbearbeitung nicht nur derjenige Film, auf den er seine meiste Energie verwandt und den er mit der größten inneren Anteilnahme, ja Leidenschaft gedreht hatte, sondern Il Vangelo wurde und blieb auch in filmästhetischer Perspektive sein Meisterwerk. Dass die Matthäusverfilmung darüber hinaus auch inhaltlich, thematisch und weltanschaulich-religiös die Achse von Pasolinis gesamten Oeuvre ist, diese These soll in dieser Untersuchung exemplarisch im konzentrierten Blick auf sein nachfolgendes sog. „mythisches Quartetts“ Edipo Re, Teorema, Porcile und Medea verifiziert werden. Die Zentralität der Christusfigur und des Evangeliums ist dabei nicht nur für das Werk Pasolinis von großer Reichweite, sondern umgekehrt auch für das Evangelium selbst: Denn darin wird beispielhaft manifest, dass das Evangelium als Movens intellektueller und künstlerischer Weltdeutung keineswegs ausgelaugt und verbraucht ist, geschweige denn abgewirtschaftet hat, sondern weiterhin in herausragender Weise zur Orientierung und Sinnstiftung qualifiziert bleibt – auch ein halbes Jahrhundert nach der Uraufführung des Matthäusfilms, und bald vierzig Jahre nach dem Tod seines Regisseurs in der Nacht auf den 2. November 1975.
Der Film von Mel Gibson und seine theologischen und kunstgeschichtlichen Kontexte
Die Kontroverse um Mel Gibsons Jesusfilm dreht sich um drei zentrale Aspekte: die Gewaltdarstellung, die Darstellung der jüdischen Gegner Jesu und die Theologie des Films, insbesondere das Konzept von Opfer und Sühne. Es stellen sich immer wieder Fragen wie: Ist die explizite Gewalt nicht Teil der Tradition der Passionsdarstellungen in der Kunst? Steht der Film in einer ehrwürdigen Tradition der Passionsfrömmigkeit, von der mittelalterlichen Kreuzesmystik bis zu Clemens Brentanos „Das Bittere Leiden unseres Herrn Jesus Christus“, das den Regisseur maßgeblich inspiriert hat? Fällt der Antijudaismus, der dem Film vorgeworfen wird, nicht auf die Evangelien zurück? Feiern wir in der Eucharistie nicht das Opfer, das der Film, wenn auch drastisch, in der richtigen Perspektive darstellt? Ist es nicht der grausame Tod am Kreuz, der uns erlöst hat? Diese Fragen berühren sowohl Theologie als auch Kunstgeschichte. Bei einem Symposium an der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster, organisiert von der Forschungsgruppe „Kulturgeschichte und Theologie des Bildes“, äußerten sich Fachvertreter aus verschiedenen Disziplinen. Der Band enthält Beiträge von Martin Ebner, Andreas Gormans, Reinhard Hoeps, Otto Huber, Thomas Lentes, Thomas Schärtl, Martin Stuflesser, Jürgen Werbick und Reinhold Zwick.