Gerne und sehr schnell werden Politiker als „Messias“ benannt – solange sie noch nicht an der Macht sind! Meistens kippt die Stimmung dann und enttäuscht wenden sich die Menschen einem neuen Hoffnungsträger zu. Wo hat dieser Traum vom Retter eigentlich seinen Ursprung? Ein Blick ins Alte Testament und in die frühen jüdischen Schriften zeigt, dass die Sehnsucht nach dem Messias im Judentum geboren wird. Hier stößt man etwa beim Propheten Jesaja auf messianische Textpassagen, deren tiefer Wunsch nach Frieden und Gerechtigkeit bis heute Gänsehaut erzeugen kann. Die Menschen hinter diesen Schriften träumen von einem sanftmütigen, göttlich gerechten Friedensherrscher, wie unzählige Menschen in Kriegsgebieten das heute tun. Mit Jesus von Nazaret als dem „Gesalbten“ des neu entstehenden Christentums beginnt eine faszinierende Geschichte der göttlichen Erlöserhoffnung. Sie verläuft ganz unterschiedlich im Judenum, Christentum und Islam. Bis heute warten alle auf ein Reich der göttlichen Gerechtigkeit – und arbeiten nach Kräften daran mit?
Helga Kaiser Livres






Im Mittelmeerraum leben seit rund 1400 Jahren die Angehörigen der drei großen monotheistischen Religionen zusammen. Je nach Region und Epoche ist die Geschichte, die dort stattfindet, unterschiedlich: Es gibt Zeiten des Konflikts und der Abgrenzung und ebenso Zeiten der Koexistenz und des Kulturaustauschs. Auf diese Epochen des Miteinanders und der kreativen und fruchtbaren Symbiosen wirft diese Ausgabe Schlaglichter. Gleichzeitig schärft sie das Bewusstsein für die Vielgestaltigkeit von Judentum, Christentum und Islam: Die Religionen wie auch die heiligen Schriften und die Kulturen, die ihre Anhängerinnen und Anhänger hervorbringen, sind plural und vielfältig - und gleichzeitig untrennbar verbunden. Genau diese Pluralität und Diversität sind Reichtum und Herausforderung bis heute …
Hat es den Auszug der Israeliten wirklich gegeben? Wer war der Pharao des Exodus? Können Archäologie und Ägyptologie frühe Schichten der biblischen Erzählung identifizieren? Der Exodus weckt bei vielen Menschen einen historischen Forscherdrang und dies sind in der Tat spannende Fragen, die zum Verständnis der Erzählung beitragen und doch ist der Exodus viel mehr: Die Erzählung hat das Volk Israel begründet, das Judentum und die Menschheitsgeschichte geprägt. Daher blickt diese Ausgabe weit in die Vergangenheit und ebenso bis in die Gegenwart: Wo liegen die Anfänge dieses Mythos und welche Kraft hat er bis heute? Denn die bleibende Faszination der Befreiungserzählung muss in ihrer Aktualität liegen: Immer wieder gilt es, auszuziehen ..., wie Jan Assmann in seinem Einführungsbeitrag formuliert.
Die Texte der Bibel haben einen langen Weg zurück gelegt. 2000 Jahre? 3000 Jahre? Für viele biblische Erzählungen lässt sich das gar nicht genau sagen, denn ihre Anfänge liegen im Dunkel der Geschichte. Die Entstehung der Schriften bis ins 2. Jahrhundert hinein ist ein spannender Prozess. Nicht minder aufregend geht es danach weiter, als die Schriften abgeschrieben, weitergegeben und in immer neue Sprachen übersetzt werden. Und abenteuerlich wird es spätestens dann, als neugierige und glückliche Forschende der letzten zwei Jahrhunderte die frühesten Handschriften der Bibel in geradezu unmöglichen Entdeckungen ans Tageslicht gebracht haben. Am Text in den heutigen Bibeln haben viele Menschen mitgewirkt und viele Hände mitgeschrieben – und es gab eine variantenreiche Vielfalt des heiligen Textes…
Nächste, Fremde und sogar Feine zu lieben – das ist ein Kernthema der Menschheitsgeschichte. Dabei stößt man auf jahrtausendealte soziale und fürsorgliche Systeme - etwa im alten Ägypten. Aber besonders auch für das alte Israel sind uns im Alten Testament berührende Gesetzgebungen zum Schutz von Armen und Kranken überliefert. Um die Liebe gegenüber dem Nächsten tief zu verinnerlichen, gilt es die Liebe Gottes zu erkennen. Nächstenliebe ist also eine Art Dreiecksbeziehung! Das christliche Nächstenliebegebot ist eingebettet in diese jüdische Denkwelt des 1. Jh und den Kerngedanken verstärkt Jesus: Er verknüpft die Gottes- und Nächstenliebe zum wichtigsten Gebot und er lebt sehr konkret vor, wie man sich Menschen gegenüber verhält, die jetzt und hier vor den eigenen Augen Hilfe benötigen. Die frühen Christen setzen die Überlieferungen in den Evangelien dann im ganzen Römischen Reich um. Sie machen die Fürsorge geradezu zu ihrem Alleinstellungsmerkmal! Universale Würde aller Menschen, auch der Kranken, Armen und Gebrochenen, die Liebe zu all diesen Nächsten, selbst wenn sie Fremde oder Feinde sind … sas sind faszinierende Gedanken mit einer faszinierenden Geschichte – und sie klingen nach als Grundton heutiger Gesellschaften.
„Alles, was atmet, lobe den Herrn!“, „Tränen waren mein Brot bei Tag und bei Nacht“, „Meine Seele, warum bist so unruhig in mir?“, „Die Menschen lügen alle“, „Ich will mich freuen am Herrn!“ ... In den 150 Psalmen der Bibel werden alle menschlichen Gefühle vor Gott gebracht. Nichts ist peinlich. Gott als Gesprächspartner hält in den Psalmen alles aus. Ohne Zensur wird darüber gegrübelt, gezweifelt und gestaunt, wer wir Menschen sind. In den Psalmen gibt es keine Resignation – auf diesen Punkt bringt es die Benediktinerin Sr. Marie Madeleine im Interview in dieser Ausgabe. Über die Zeiten hinweg inspirieren diese jahrtausendealten Hymnen, Klagen und Danklieder mit ihrer einmaligen Gebetssprache Musiker, Dichter und Künstler. Damit sind die Psalmen Vergangenheit und Gegenwart zugleich. Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe nehmen die Leserinnen und Leser mit zu den altorientalischen Ursprüngen, zur jüdischen Herkunft der Psalmen, zu den archäologischen Spuren in Qumran, zu ihrer musikalischen Geschichte – und gleichzeitig spürt man auf Schritt und Tritt ihre Aktualität. Das macht sie zu „Gebeten der Menschheit“.
Das Verhältnis von den biblischen Schöpfungserzählungen zu den Erkenntnissen der modernen Naturwissenschaften birgt Sprengkraft. Auf der einen Seite stehen Verfechter der Irrtumslosigkeit der Bibel, auf der anderen Vertreter der „rationalen Vernunft“. Wichtig ist, die Schöpfungserzählungen zunächst historisch in die Welt einzuordnen, in der sie entstanden sind. In dieser altorientalischen Welt drückten Mythen vom Anfang das Selbstverständnis der Menschen aus. Von dieser Frühzeit aus führt ein spannender Weg durch die Jahrtausende zur gegenseitigen Bereicherung von Schöpfungstheologie, Urknalltheorie und Evolutionsbiologie.
Die Spurensuche beginnt an den Ursprüngen aller Christologie, am leeren Grab und den Zeugnissen im neuen Testament. Doch schon bald beginnt die theologische Debatte, wie sich Göttliches und Menschliches in Jesus zueinander verhalten.
Bis etwa 680 n. Chr. war Nordafrika christlich. In dieser Zeit leben und schreiben hier wichtige Theologen, hier finden wesentliche Debatten statt, die die westliche Christenheit zu dem machen, was sie heute ist.