Jörg Robert Livres






Johannes Reuchlin (1455-1522), dessen Leben und Werk eng mit Tübingen verbunden sind, repräsentiert wie kaum ein anderer deutscher Humanist den zeitlichen Bogen und inneren Zusammenhang von Renaissance und Reformation. Auch wenn Reuchlin der Reformation am Ende seines Lebens kritisch gegenübersteht, verbinden sich doch die causa Reuchlini und die causa Lutheri für die Zeitgenossen besonders eng – dies gilt für den Wittenberger Reformator selbst, der eindringlich um Reuchlin als Mitstreiter geworben hat, vor allem aber für die jüngeren Anhänger beider Männer wie Ulrich von Hutten oder Reuchlins Schüler Melanchthon, den der Gelehrte 1518 nach Wittenberg vermittelt hatte. Reuchlin macht sich nachhaltig um die wissenschaftliche Erschließung und Bewahrung der jüdischen Tradition verdient und gilt bis heute als einer der Wegbereiter der Toleranzrede. Dies drückt sich in besonderer Weise im sogenannten Judenbücherstreit aus, bei dem es um die Frage geht, ob jüdische Bücher eingezogen und verbrannt werden sollten. Hier bezieht Reuchlin in einem Gutachten (1510) einen klar pro-jüdischen Standpunkt, der in der Folge zu heftigen Auseinandersetzungen mit den Kölner Dominikanern und zur Verurteilung Reuchlins durch die römische Kurie führt. Der Streit selbst, in dem Reuchlins Augenspiegel die zentrale Rolle spielt, weitet sich zu einem Medienereignis von europäischen Dimensionen aus, das Phänomene der aktuellen Medienkultur vorwegnimmt. Katalog und Ausstellungsprojekt möchten Reuchlin und seine Epoche in einem breiten Bogen von Leben und Werk über die Schriften bis hin zur Kulturgeschichte erschließen. Die Tübinger Jahre und Aktivitäten sollen dabei im Mittelpunkt stehen.
Phantasmagorie. Faust als Medientheater
»Faust« als Medientheater
Schwankende Gestalten: Goethes »Faust« als großes Spiel über die diabolische Macht der Illusion und die Magie der Medien. »Inkommensurabel« oder »inkalkulabel« - so nannte Goethe seine »Faust«-Dichtung, die ihn ein Leben lang begleiten sollte. In der Tat: Wie lässt sich die faszinierende Offenheit und Vielschichtigkeit seines Hauptwerkes auf einen Nenner bringen? Eine Antwort gibt Jörg Robert in seinem neuen Buch: »Faust« ist eine Reflexion auf die diabolische Magie der Medien. Nicht ohne Grund nennt Goethe den Helena-Akt von »Faust II« eine »klassisch-romantische Phantasmagorie.« »Phantasmagorie« bezeichnet um 1800 ein populäres Spektakel mit der Laterna magica. Die Zauberlaterne begegnet uns im »Faust« als Motiv, ist aber auch ein Schlüssel zu Struktur und Poetik des gesamten Werkes. »Faust« ist nicht nur nachbarockes Welttheater, sondern modernes Medientheater, das immer wieder um den Verblendungszusammenhang der Medien, die Wirkung der Illusion und die Notwendigkeit der Enttäuschung kreist. Vorgeschichte (Faustbuch, Puppenspiel) und Rezeption (z. B. im Film) unterstreichen: Kein anderer Stoff ist so fruchtbar für eine Medienliteraturgeschichte wie Faust.
Intermedialität hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Paradigma der Literatur-, Bild- und Musikwissenschaften entwickelt. Phänomene der Medienkombination und -konkurrenz wurden dabei vor allem für Literatur, Musik und Bildende Kunst des 19. bis 21. Jahrhunderts untersucht. Der hier vorliegende interdisziplinäre Band stellt den ersten Versuch dar, intermediale Formen und ihre theoretischen Grundlagen für die Frühe Neuzeit (1500–1750) zu erfassen. Im Sinne einer literaturzentrierten Intermedialität stehen Wechselwirkungen zwischen der Literatur und den übrigen Künsten im Mittelpunkt. Neben Formen der Bild-Text-Kombination bzw. -transformation wie Emblem, carmen figuratum oder Ekphrasis werden Spielarten musikalischer Intermedialität (Lied, Bühnenmusik, Oper), aber auch die Vorgeschichte der Gesamtkunstwerk-Idee des 19. Jahrhunderts erschlossen. Mit diesem weiten Spektrum füllt der Band nicht nur eine Lücke zwischen historischer Frühneuzeit- und systematischer Intermedialitätsforschung, sondern bildet zudem eine wichtige Grundlage für eine noch zu schreibende Literaturgeschichte der Intermedialität.
Intermedialität hat sich in den vergangenen Jahren als Forschungsgebiet an der Schnittstelle zwischen Literatur-, Kunst- und Medienwissenschaft etabliert. Die Frage nach der Kombination und Konkurrenz der Medien und Künste betrifft ein weites Spektrum von Phänomenen. Es reicht von den Kontroversen um den Vorrang der Künste in Antike und Früher Neuzeit über die Kino- und Mediendebatten der Moderne bis zur klassischen Intertextualitätsforschung und Mediengeschichte. Dieser Band untersucht Geschichte, Theorie und Systematik der Intermedialität von einem literaturwissenschaftlichen Standpunkt aus. Neben einer Klärung der leitenden Begriffe bietet er einen Abriss der historischen Entwicklung sowie einen Überblick über die Forschungs- und Arbeitsfelder intermedialer Literaturwissenschaft. Einzelanalysen nehmen (Hyper-)Texte, Bilder, Filme, Lieder und das Verhältnis von Medium und ›gender‹ in den Blick.
Unordentliche Collectanea
Gotthold Ephraim Lessings Laokoon zwischen antiquarischer Gelehrsamkeit und ästhetischer Theoriebildung
- 389pages
- 14 heures de lecture
Für die Ästhetik des 18. Jahrhunderts bezeichnet G. E. Lessings Laokoon: oder über die Grenzen der Mahlerey und Poesie (1766) einen markanten Höhe- und Wendepunkt. In Dichtung und Wahrheit äußert sich Goethe rückblickend: „Man muß Jüngling sein, um sich zu vergegenwärtigen, welche Wirkung Lessings Laokoon auf uns ausübte, indem dieses Werk uns aus der Region eines kümmerlichen Anschauens in die freien Gefilde des Gedankens hinriß. Das so lange mißverstandene ut pictura poesis war auf einmal beseitigt, der Unterschied der bildenden und Redekünste klar, die Gipfel beider erschienen nun getrennt, wie nah ihre Basen auch zusammenstoßen mochten.“ Der Band verfolgt das Anliegen, im interdisziplinären Dialog die produktive Offenheit dieser ‚unordentlichen Collectanea‘ (Laokoon, Vorrede) als konstitutives Element der Lessing’schen Ästhetik neu herauszuarbeiten. Lessing will keine systematische Ästhetik vorlegen, sondern ‚fermenta cognitionis‘, die in ihrer Summe jedoch nichts weniger als ein umfassendes Panorama der ästhetischen, kunst- und kulturhistorischen Problemlagen der Zeit bieten.
Ziel des Bandes ist es, historische Konfigurationen zu beschreiben, in denen sich eine Literatur- und Kulturgeschichte des Wilden von der Antike bis in die Gegenwart anthropologisch und ästhetisch ausprägt.
"Ein Aggregat von Bruchstücken"
- 272pages
- 10 heures de lecture
Prof. Dr. Jörg Robert ist zur Zeit Vertreter des Lehrstuhls für Neuere deutsche Literatur- und Ideengeschichte an der Universität Würzburg.
Würzburger Schiller-Vorträge 2005
- 144pages
- 6 heures de lecture
Schiller - Zeitgenosse aller Zeiten? Die Frage nach Aktualität und Modernität des „Klassikers“ Schiller ist im Jubiläumsjahr 2005 immer wieder neu gestellt worden. Ein Aspekt zieht dabei seit längerem besonderes Interesse auf sich - Schillers Anthropologie. Der „empirische Psychologe“, „philosophische Arzt“ und „Menschenkenner“ steht auch im Zentrum des vorliegenden Bandes. Er versammelt sechs Beiträge Würzburger Schiller-Forscher, die um das Projekt einer „literarischen Anthropologie“ kreisen. In Überblicksdarstellungen und Analysen zentraler Texte belegen sie die Kontinuität des anthropologischen Paradigmas von den frühen medizinischen Schriften bis zur späten Dramatik. In diesen Kontext lassen sich auch Schillers Überlegungen zum klassizistischen Kunstdiskurs, zur politischen Philosophie sowie zur Historiographie einordnen, die das Spektrum des Bandes abrunden.
Konrad Celtis und das Projekt der deutschen Dichtung
Studien zur humanistischen Konstitution von Poetik, Philosophie, Nation und Ich
Der deutsche 'Erzhumanist' Konrad Celtis (1459–1508) gilt als eine zentrale Figur der neueren deutschen Literaturgeschichte. Durch seine lyrischen Zyklen (Oden, Elegien, Epigramme) und seinen Einsatz für die studia humanitatis wird er zum ersten gekrönten Dichter auf deutschem Boden und prägt den Humanismus nördlich der Alpen. Celtis unternimmt einen wegweisenden Versuch, antike Gattungen und Diskurse in die deutsche Literatur einzuführen, und ist Autor der ersten humanistischen Poetik, der »Ars versificandi et carminum«. Mit den »Amores« (Nürnberg 1502) präsentiert er den ersten bedeutenden Zyklus neulateinischer Dichtung in Deutschland, dessen Einfluss auf die Literaturgeschichte enorm ist. Die Studie verfolgt Celtis' Projekt einer deutschen Dichtung in lateinischer Sprache im Kontext seiner Zeit. Alle bedeutenden Texte und Bilddokumente, von der »Ars versificandi« über die Ingolstädter Rede bis zu den »Amores«, werden systematisch erfasst. Der große Zyklus von Liebeselegien wird hinsichtlich Gattungsfragen, Nationaldiskurs und lyrischer Selbstdarstellung analysiert. So entstehen Konturen eines Werkes, das als Gründungsdokument der neueren deutschen Literatur angesehen werden kann.