Christoph Veldhues Livres


Als führender Kopf des russischen Formalismus vertritt Jurij Tynjanov in den 1920er Jahren eine antibiographistische Position in der Literaturwissenschaft und verfasst gleichzeitig biographische Romane über Autoren wie Kjuchel‘beker, Griboedov und Puškin. Dieser scheinbare Widerspruch wird in Veldhues’ Arbeit durch eine neue Lektüre des oft missverstandenen Puškin-Romans (1935–43) aufgelöst, die den allegorischen Subtext dieser Künstlerbiographie offenbart. Tynjanov verwandelt den Dichter Russlands in ein Abbild seiner Vorstellung von moderner Literatur, die in den stalinistischen 1930er Jahren nicht mehr offen artikuliert werden konnte. Sein Roman fungiert nicht als literarische Biographie, sondern als Literaturtheorie in anderer Form. Diese Lesart wird durch eine detaillierte Analyse der formalistischen Konzepte zum metaliterarischen Autor/Biographie-Komplex untermauert, die hier als ‚Autor-Funktionalismus‘ bezeichnet werden, im Gegensatz zum traditionell in Russland vorherrschenden ‚Autor-Personalismus‘, besonders in der übertriebenen ‚Puškinistik‘ des 19. und 20. Jahrhunderts. Beide Positionen werden im Kontext der funktionalistischen und modernistischen Poetik der formalistischen Literaturtheorie betrachtet und sind Teil einer grundlegenden Auseinandersetzung mit dem Status des Autors und seiner textuellen Repräsentation in der Literaturwissenschaft.