Patrick Finzer Livres

Krankheiten lassen sich nicht alleine auf die Bestandteile des Organismus – Organe, Moleküle oder Gene –zurückführen bzw. reduzieren. Es muss ein Verständnis des Gesamtsystems hinzutreten, denn das System kann offensichtlich aus den konstituierenden Teilen durch Organisation neue Eigenschaften generieren. Einblicke in das Verhalten von Systemen gewähren Genetik, Mikrobiologie und Onkologie. Die Entstehung von Krankheiten erfolgt dabei nicht nur durch Veränderungen der Systeme-Teile, sondern auch durch Neuorganisation der Teile, Schwankungen des Systems – die im Wesentlichen zufällig auftreten – und durch Veränderungen der Umwelt. Dem Arzt erwächst daraus die Aufgabe, die individuellen Krankheitsprinzipien aufzufinden, die vor dem Hintergrund der konkreten Krankengeschichte des Patienten zum Tragen kommen. Die Einflussnahme auf die „Systemumwelt“ – wie Ernährung, Bewegung etc. – erwEineist sich dabei als bedeutende Stellgröße für Prävention und Therapie.

Die Medizin steht vor grundlegenden Fragen, wie der Forschung an Stammzellen und dem Klonen von Menschen, die nicht nur ethische Herausforderungen darstellen, sondern auch bestehende Vorstellungen über die belebte Natur hinterfragen. Historisch betrachtet hat sich in der Biologie eine reduktionistische Sichtweise etabliert, die biologische Systemeigenschaften auf die Eigenschaften ihrer Bestandteile wie Zellen und Makromoleküle zurückführt. Diese Arbeit beleuchtet relevante Aspekte der neueren Geschichte der molekularen Biologie und Biomedizin und untersucht, ob eine reduktionistische Perspektive zum Verständnis biologischer Systeme und zur Lösung medizinischer Fragestellungen beitragen kann. Das Buch richtet sich an Mediziner, Biologen und Biochemiker in der biomedizinischen Forschung sowie an Wissenschaftstheoretiker und Geisteswissenschaftler. Der Autor versucht, den Leser für die sensiblen Themen der heutigen Biomedizin zu sensibilisieren, insbesondere in einem hochbrisanten und aktuellen Diskurs. Das klar gegliederte und gut lesbare Werk erfordert jedoch gewisse naturwissenschaftliche, geisteswissenschaftliche oder medizinische Vorkenntnisse. Angesichts der aktuellen Thematik wünscht man dem Buch eine breite Verbreitung, nicht nur unter Biowissenschaftlern, Medizinern und Wissenschaftshistorikern.